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Letzte Änderung für Artikel Ortstafelstreit: 19.02.2006 21:34

Ortstafelstreit

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Bild:Bilingual roadsigns (German-Slovene).png

Als Ortstafelstreit wird umgangssprachlich eine jahrzehntelange Kontroverse um zweisprachige ( deutsch / slowenisch ) topographische Aufschriften ( Ortstafeln und Wegweiser ) in einem Teil des österreichischen Bundeslandes Kärnten bezeichnet. Die betreffenden Ortstafeln sind der slowenischen Minderheit verfassungsmäßig garantiert, werden aber von Kärntner Abwehrkämpferbund und Lokalpolitikern wie Landeshauptmann Jörg Haider unter Berufung auf den angeblichen Mehrheitswillen verhindert.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung und aktuelle Politik

Das in den 1960er Jahren relativ ruhige Klima verschärfte sich ab 1970. Vor allem vor den 50-Jahr Feiern zur Kärntner Volksabstimmung fanden wiederholt Aktionen gegen deutschsprachige Ortstafeln statt. Teilweise wurden die deutschen Bezeichnungen überschmiert oder durch die slowenische Bezeichnung ergänzt (so z.B. in Klagenfurt und Hermagor). Am 6. Juli 1972 beschloss der Nationalrat, gegen die Stimmen von ÖVP und FPÖ, das "Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über die Anbringung von zweisprachigen topographischen Bezeichnungen und Aufschriften in den Gebieten Kärntens mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung getroffen werden" Im Herbst 1972 ließ Bundeskanzler Bruno Kreisky 205 zweisprachige Ortstafeln aufstellen. In Folge dieser Aktion kam es zum so genannten Ortstafelsturm, bei dem teilweise vor laufender Kamera und in einigen Fällen auch in Anwesenheit der Polizei über ganz Südkärnten zweisprachige Aufschriften abmontiert oder zerstört wurden. Die heftige Reaktion der Bevölkerung führten zum Rücktritt des damaligen Landeshauptmannes Hans Sima und Gründung der so genannten "Ortstafelkommission". Der erste österreichische Ortstafelstürmer war Vitus Jesse , damals SPÖ-Bürgermeister von St. Kanzian. Traurige Berühmtheit erlangte er auch mit seinem Ortstafelstürmer-Ball.

Im Juli 1976 verabschiedete der Nationalrat das Volksgruppengesetz und die Novelle zum Volkszählungsgesetz, wodurch die Voraussetzungen für die geheime Erhebung der Muttersprache geschaffen wurden. Diese (teilweise umstrittene) Volkszählung, die von vielen Kärntner Slowenen boykottiert wurde, fand am 14. November 1976 statt. In verschiedenen Gemeinden kam es zu erheblichen Behinderungen bei der Durchführung, welche von Besetzung der Wahlzellen bis zum Raub der Wahlurne in der Gemeinde Zell gingen. Trotzdem lag die Beteiligung bei ca. 87%. Um den teilweisen Boykott der Erhebung auszugleichen, wurden "Ungültige", "Andere" und "nicht abgegebene Stimmen" auf Basis der durchschnittlichen Beteiligung zum Teil der slowenischen Minderheit zugerechnet.

In der Folge schlugen die Kärntner Parteien vor, in 10 Gemeinden (inklusive der Gemeinde Zell (ohne Ergebnis)) zweisprachige Ortstafeln anzubringen, was in der Topographieverordnung von 1977 so vorgesehen wurde. Von den sich daraus ergebenden 91 Ortstafeln sind bisher 77 errichtet.

Auch die Definition des windischen Dialekts (laut Volkszählung 2001: 567) sorgt immer wieder für Konflikte. So sehen slowenischsprachige Kärntner das Windische lediglich als slowenischen Dialekt und zählen die Windischsprachigen zu ihrer Sprachgruppe hinzu, während die Windischsprachigen bei den Volkszählungen bewusst "windisch" und nicht "slowenisch" als Umgangssprache angeben, um nicht als slowenischsprachige Kärntner gezählt zu werden. Da die Regierung keine Neuregelung beschlossen hat, müssten mit dem Auslaufen der Reparaturfrist eine Vielzahl von Ortstafeln in den betroffenen Bezirken Kärntens zweisprachig sein.

Am 29. April 2005 verkündete Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ein Zwischenergebnis der fünften Konsenskonferenz zur Beilegung des Streites: Die 20 seit 1977 ausständigen Ortstafeln sollen bis zum 26. Oktober 2005 angebracht werden. Landeshauptmann Haider wies den Wunsch nach etwa 150 weiteren Ortstafeln (in Orten mit über 10% Slowenenanteil) mit Hinweis auf die "Interessen der Mehrheit" zurück. Im Jänner 2006 erklärte er in einem ORF-Interview den Widerstand gegen zweisprachige Ortstafeln als Reaktion auf den "ständigen Versuch der Slowenen in den letzten Jahrzehnten, sich [...] einen Teil Kärntens einzuverleiben." Die Republik Slowenien wies den Vorwurf, territoriale Ansprüche auf Unterkärnten geltend zu machen, zurück.

Die Kärntner FPÖ bezeichnet bereits Haiders Zustimmung in der Konsenskonferenz als "Verrat an der Kärntner Bevölkerung".

Während Bundespräsident Heinz Fischer die zweisprachigen Ortstafeln als Zeichen sieht, dass hier eine respektierte Minderheit lebt, will Landeshauptmann Jörg Haider diese Ortstafeln nur nach einer geheimen Volkszählung mit Erhebung der Muttersprache aufstellen.

Am 12. Mai 2005 wurden, noch rechtzeitig vor dem 50. Jubiläum des Staatsvertrages am 15. Mai 2005 und teilweise unter Anwesenheit ranghoher Politiker (Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, Landeshauptmann Haider u. a.) seit langer Zeit wieder fünf zweisprachige Ortstafeln in Kärnten aufgestellt, wobei in einem Ort Proteste angesagt wurden, so dass man auf Feierlichkeiten verzichtete. In der darauffolgenden Nacht wurden zwei installierte Ortstafeln beschädigt. Folgende zweisprachige Ortstafeln wurden aufgestellt:

  • Schwabegg (Žvabek) in der Gemeinde Neuhaus (Suha) - nach Protesten fand hier keine Feierlichkeit statt
  • Windisch Bleiberg (Slovenji Plajberk) in der Gemeinde Ferlach (Borovlje)
  • Bach (Potok), Edling (Kajzaze) und Niederdörfl (Spodnja Vesca) in der Gemeinde Ludmannsdorf (Bilčovs)

Nachdem in Gesprächen über weitere Tafeln zwischen den betroffenen Volksgruppen keine Einigung getroffen werden konnte, haben der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und sein damaliger Stellvertreter Peter Ambrozy im Juni 2005 die Entscheidung wieder an die Bundesregierung delegiert. Die Bundesregierung kann eine neue Topographieverordnung nur einstimmig beschließen; allgemein wird angenommen, dass die BZÖ -Minister einer Topographieverordnung, in der mehr zweisprachigen Ortstafeln als bisher verordnet würden, nicht zustimmen würden.

Im Dezember 2005 wurde angekündigt, die Ortstafel in Windisch Bleiberg wieder zu entfernen.

Im Jänner 2006 erklärte Landeshauptmann Haider, um den Spruch des Verfassungsgerichtshofes nicht umsetzen zu müssen, die betroffene Ortstafeln um einige Meter versetzen zu wollen und damit das Urteil unwirksam und obsolet werden zu lassen. Dieses Vorhaben wurde am 8.2.2006 unter großer Medienpräsenz tatsächlich umgesetzt.

Rechtliche Aspekte

Der Anspruch der slowenischen und kroatischen Minderheit auf zweisprachige Ortstafeln sowie Schulunterricht in der Muttersprache ergibt sich völkerrechtlich verbindlich aus Artikel 7, Ziffer 2 und 3 des Österreichischen Staatsvertrages . Die genannten Ziffern 2 und 3 sind neben der Ziffer 4 Bestandteil österreichischen Verfassungsrechts und damit für die innerstaatliche Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens der Minderheitenpolitik verbindlich.

Die für die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln relevante Ziffer 3 des Artikel 7 ("Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten") lautet wie folgt:

     Art. 7 (Recht der slowenischen und kroatischen Minderheiten)

     3. In den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens,
des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer,
kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische
oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als
Amtssprache zugelassen. In solchen Bezirken werden die
Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in
slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfaßt.
    

Im Jahr 1976 wurde vom österreichischen Nationalrat das Volksgruppengesetz verabschiedet. Der relevante Paragraph 2, Absatz 1, Ziffer 2 lautete folgendermaßen:

     § 2.(1) Durch Verordnungen der Bundesregierung im
Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach
Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung
festzulegen:

     1. (...)

     2. Die Gebietsteile, in denen wegen der
verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort
wohnhaften Volksgruppenangehörigen topographische
Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind.

     3. (...)

Dieses Gesetz sah also die Aufstellung von zweisprachigen topographischen Aufschriften für jene Gemeinden bzw. Ortsteile vor, in denen sich zumindest 25% der Bevölkerung zur slowenischsprachigen Volksgruppe bekennen. In einer 1977 erlassenen Verordnung (so genannte Topographieverordnung für Kärnten) wurden das Volksgruppengesetz näher ausgeführt und die Gemeinden bzw. Gemeindeteile näher bestimmt, in denen zweisprachige topographische Aufschriften angebracht werden müssen. In einer weiteren Verordnung (Verordnung über slowenische Ortsbezeichnungen) wurden die slowenischen Bezeichnungen der Ortschaften offiziell festgelegt.

Siehe auch: Liste der Ortschaften mit zweisprachigen topographischen Aufschriften lt. Topographieverordnung

Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs

Der Verfassungsgerichtshof sah in seinem 2001 und in einem weiteren, Ende 2005 ergangenen Erkenntnis, den im Volksgruppengesetz festgelegten Prozentsatz von 25% als zu hoch und damit als verfassungswidrig an, da er den Artikel 7 Abs. 3 des Staatsvertrages nicht erfüllt. In der Begründung zum Erkenntnis beriefen sich die Verfassungsrichter in einer historischen Gesetzesinterpretation auf die Entstehungsgeschichte des Staatsvertrags, beziehungsweise auf die gängige österreichische Justizpraxis, derzufolge eine gemischte Bevölkerung einem "nicht ganz unbedeutenden (Minderheiten)-Prozentsatz" entspricht und legten einen Prozentsatz von ungefähr 10% slowenisch sprechender Einwohner einer Gemeinde als hinreichendes Kriterium für die Aufstellung zweisprachiger topographischer Aufschriften fest ( Erkenntnis samt Begründung des VfGH in der Causa Orstafeln ). Mit Ende 2005 sind in dieser Frage noch weitere 20 Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig.

Der Auslöser der Behandlung der Rechtsfrage durch den Verfassungsgerichtshof war eine (absichtlich herbeigeführte) Geschwindigkeitsübertretung (65 km/h anstatt der vorgeschriebenen 50 km/h) des Volksgruppenangehörigen und in der Volksgruppenpolitik aktiven Rechtsanwalts Rudolf Vouk in St. Kanzian am Klopeiner See . Um eine diesbezügliche juristische Auseinandersetzung zu erreichen und damit die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zu ermöglichen, erstattete er eine Selbstanzeige, woraufhin das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde. Gegen den Strafbescheid berief Rudolf Vouk und erhob in letzter Konsequenz Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, da der Beginn des Ortsgebiets durch die einsprachige Ortstafel von St. Kanzian, auf der die slowenische Ortsbezeichnung fehlte, seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäß kundgemacht war. Aus diesem Grund gelte auch nicht eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung behauptete der Beschwerdeführer Rudolf Vouk nicht, dass er die rein deutschsprachige Aufschrift der Ortstafel nicht hätte lesen können. Dies wäre für die Geltung der Geschwindigkeitsbegrenzung auch irrelevant gewesen. Auch wurde die Beschwerde selbst vom Verfassungsgerichtshof abgewiesen, da es laut dem VfGH kein subjektives Recht der Volksgruppenangehörigen auf zweisprachige Ortstafeln gibt ( Erkenntnis samt Begründung des VfGH in der Causa Rudolf Vouk ). Die vom Verfassungsgerichtshof als gesetzeswidrig aufgehobene einsprachige Ortstafel von St. Kanzian am Klopeiner See wurde von der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt per Bescheid - wiederum einsprachig, jedoch um einige Meter versetzt - wieder aufgestellt.

Im seinem Erkenntnis hob der Verfassungsgerichtshof Teile des Volksgruppengesetzes 1976 und der Topographieverordnung 1977 als verfassungswidrig auf und stellte als Richtwert, bei dessen Erreichen Ortstafeln aufgrund der diesbezüglichen Bestimmungen des Staatsvertrages von Wien zweisprachig gestaltet werden müssen, auf einen Anteil von ungefähr 10% slowenischsprachiger Bevölkerung ab. Als ein weiterer Streitpunkt erwies sich hierbei jedoch die Formulierung, dass "über einen längeren Zeitraum" ungefähr 10 % der Bevölkerung slowenischsprachig sein müssen. Da der Anteil der slowenischsprachigen Kärntner aufgrund der anhaltenden Assimilierung im letzten Jahrhundert ständig gesunken ist (1971: 20.972; 2001: 14.010), versuchen hier beide Seiten diese Formulierung möglichst zu ihren Gunsten auszulegen.

Literatur

  • Martin Pandel (Hrsg.): Ortstafelkonflikt in Kärnten - Krise oder Chance? Braumüller, Wien 2004, ISBN 3-7003-1479-5
  • Vida Obid, Mirko Messner, Andrej Leben: Haiders Exerzierfeld. Kärntens SlowenInnen in der deutschen Volksgemeinschaft. Promedia, Wien 2002, ISBN 3-85371-174-X
  • Gero Fischer (Hrsg.): „Am Kärntner Wesen könnte diese Republik genesen“: An den rechten Rand Europas: Jörg Haiders „Erneuerungspolitik“. Drava, Klagenfurt 1990, ISBN 3-85435-119-4
  • Peter Gstettner: Zwanghaft deutsch? Über falschen Abwehrkampf und verkehrten Heimatdienst: ein friedenspädagogisches Handbuch für interkulturelle Praxis im „Grenzland“. Drava, Klagenfurt 1988, ISBN 3-85435-104-6
  • Hanns Haas, Karl Stuhlpfarrer: Österreich und seine Slowenen. Löcker & Wögenstein, Wien 1977, ISBN 3-85392-014-4

Film

  • Thomas Korschil und Eva Simmler: Artikel 7 Unser Recht! - Pravica Naša! člen 7. 2005 ( Website des Films )

Siehe auch

Weblinks

Wikipedia

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