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Letzte Änderung für Artikel Fußach (Skandal): 18.02.2006 23:40

Fußach (Skandal)

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Der Name der kleinen Vorarlberger Bodenseegemeinde Fußach ist Synonym geworden für einen Skandal , auf den auch nach 40 Jahren in Föderalismus -Diskussionen immer wieder referenziert wird und der voll politischer Symbolik steckt. Es geht dabei um den Namen eines Bodenseeschiffs und die Ereignisse bei dessen Schiffstaufe .

Inhaltsverzeichnis

Schiffstaufe

Am Morgen des 21. November 1964 hatten sich ungefähr 1000 Menschen am Bahnhof Bregenz eingefunden, um gegen die am selben Tag angesetzte Schiffstaufe zu protestieren. Die Demonstranten gaben ihrem Unmut Ausdruck, dass ein neues Bodenseeschiff der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gegen den Willen breiter, regionaler Kreise auf den Namen des österreichischen Ex-Bundespräsidenten Karl Renner getauft werden sollte. Als der Sonderzug mit den Festgästen aus Wien im Bregenzer Bahnhof ankam, wurden diese mit Tomaten beworfen und ausgebuht. Für die Festgäste stellte sich auch die weitere Anreise zur Fußacher Werft, bei der sich schließlich auch ca. 20.000 Demonstranten einfanden, beschwerlich dar. Das letzte zu Fuß zurückzulegende Stück wurde für sie zum Spießrutenlauf. Sie wurden von den Demonstranten gestoßen, mit Paradeisern und faulen Eiern beworfen, teilweise sogar mit Stöcken attackiert. In der Folge drückten die Demonstranten den Zaun des Werftgeländes ein, ca. 130 Polizisten waren nicht in der Lage sie zurückzuhalten. Die Festgäste flohen auf ein zweites bereitstehendes Schiff namens (eine Ironie der Geschichte) "Österreich". Von dort konnten sie zusehen, wie die österreichische Flagge vom Rednerpult heruntergerissen wurde und von den Demonstranten eine "Nottaufe" auf den Namen '"Vorarlberg"' vorgenommen wurde. Der Vorarlberger SPÖ-Abgeordnete Haselwanter wurde mit Erdklumpen und Steinen beworfen und musste von der Polizei in eine Bauhütte in Sicherheit gebracht werden. Der österreichische Verkehrsminister Otto Probst , in dessen Zuständigkeit die ÖBB und damit auch der Name des Schiffs fiel, reiste über den Bodensee in einem Motorboot an, drehte aber wegen der aggressiven Atmosphäre auf Anraten der Polizei wieder um. Die offizielle Schiffstaufe wurde daraufhin abgesagt, Probst kehrte nach Bregenz zurück, wo er versuchte, die beiden Tageszeitungen Vorarlberger Volksblatt und Vorarlberger Nachrichten wegen "Aufforderung zum offenen Aufruhr" beschlagnahmen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch lehnte dieses Ansinnen aber ab. Die materielle Bilanz des Tages waren drei verletzte Gendarmen, niedergerissene Zäune, abgerissene Fahnen, drei beschädigte Autos und mehrere Strafanzeigen.

Vorgeschichte

Damit der Name für ein Schiff einen solchen Aufruhr auslösen konnte, bedurfte es einer langen Vorgeschichte. Der vom Verkehrsminister propagiert Name Karl Renner spielte dabei aber eine untergeordnete, wenn auch nicht unpikante Rolle. (Am 11. Mai 1919 hatten 80% der Vorarlberger Bevölkerung für einen Anschluss an die Schweiz gestimmt. Die Vorarlberger politischen Eliten warfen Staatskanzler Renner vor, dieses Anliegen bei den Friedensverhandlungen von St. Germain nicht eingebracht zu haben, und fühlten sich in der Folge, auch während Renners Bundespräsidentschaft nach dem 2. Weltkrieg, stiefmütterlich behandelt.) In der Vorarlberger Perzeption der Fußach-Affäre spielt aber gerade der Föderalismus - verstanden als Selbstbestimmungsrecht - eine zentrale Rolle. Weniger der Name selbst, sondern die Art seiner Durchsetzung sorgten für Unmut.

Schon 1955 hatte die Vorarlberger Landesregierung beschlossen - von den ÖBB zu einem Namensvorschlag aufgefordert - ein Bodenseeschiff auf den Namen "Vorarlberg" zu taufen. Erst im Winter 1963 wurde dann mit dem Bau des Schiffs begonnen, welches die ÖBB aus Eigenkrediten finanzierte. Das Verkehrsministerium, dem die ÖBB zugeordnet war, hatte also auch das formelle Recht der Namensgebung. Trotz Erneuerung des Beschlusses der Landesregierung kamen im April 1964 Gerüchte auf, das Schiff würde auf "Karl Renner" getauft werden. Die Stadt Bregenz intervenierte und gab zu bedenken, dass es auf dem Bodensee seit dem Ende der Donaumonarchie zur Verhinderung von Personenkult keine Personennamen als Schiffsnamen mehr gegeben habe.

Trotzdem gab Probst am 1. Oktober 1964 offiziell bekannt, das Schiff werde auf Karl Renner getauft. Weitere Interventionen in Wien blieben erfolglos. In dieser Situation kamen die Vorarlberger Nachrichten (VN) mit ihrer Berichterstattung ins Spiel. Durch das im selben Jahr stattfindende Rundfunkvolksbegehren schon auf die "Koalitions-Zentralisten" in Wien eingeschossen, kam ihr die Schiffstaufe nicht ungelegen, um sich in Vorarlberg weiter zu profilieren. Am 17. November entschloss sich die Vorarlberger Landesregierung - nachdem sie vorher eher passiv agiert hatte - zur Schiffstaufe keine offiziellen Vertreter zu entsenden. Diesem Boykott schlossen sich nicht nur etliche andere Vorarlberger Gebietskörperschaften und die einheimische Presse, sondern sogar verschiedene Vertreter von Bundesbehörden in Vorarlberg an. Am 20. November schrieb die VN in ihrer Freitagsausgabe von Gerüchten über eine angeblich bevorstehende Demonstration. Am darauffolgenden Tag verwendete sie ihre ganze Titelseite für einen Demonstrationsaufruf.

Debatte im Nationalrat

Die Fußach-Affäre wurde am 25. November 1964 im Nationalrat in einer politisch stark aufgeheizten Atmosphäre debattiert, die noch über das zu dieser Zeit schon sehr schlechten Klima in der Großen Koaliton hinausging.

Schon im Vorfeld der Nationalratsdebatte hatten sich die Parteien der großen Koalition im Ministerrat nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme zu den Ausschreitungen in Fußach einigen können. Die ÖVP war zwar bereit, die gewalttätigen Ausschreitungen in Fußach zu verurteilen, wollte aber diese Verurteilung auf sämtliche in diesem Jahr vorgekommenen Rechtsverletzungen ausdehnen, die nach den gleichen rechtlichen Grundsätzen zu behandeln wären. Dagegen wehrte sich die SPÖ, waren doch die Unruhen rund um die Absetzung von Innenminister Franz Olah (SPÖ) bis zu diesem Zeitpunkt ohne strafrechtliche Verfolgung geblieben.

An den Themenbereichen der Anfragebeantwortung des Justizministers Broda , in der er über Gründe des Einschreitens bzw. Nicht-Einschreitens der Justiz in verschiedenen Fällen berichtete, kann man gut die damals innenpolitisch unruhigen Zeiten ablesen: Attacke auf Broda in der Löwelstrasse, Lichtabschaltung beim Wiener E-Werk, Vorfälle in Berndorf, Komplex "Schleinzer-Wall", Ärztestreik, Bäckereiarbeiterstreik, Handelsarbeiterstreik, Vorfälle in Wiener Neustadt.

Strafanzeigen

Die Voruntersuchungen gegen die "Rädelsführer" der Demonstranten gelangten nicht zu einer gerichtlichen Anklage. Im Fall der Vorarlberger Nachrichten wurde gegen einen Redakteur und den Herausgeber wegen §300 StG (Aufwiegelung) ermittelt. Im September 1965 ordnete der Bundespräsident auf Antrag des Bundesministers für Justiz an, die eingeleiteten Strafverfahren einzustellen. Wohl auch im Hinblick auf die bevorstehende Bundespräsidenten-Wahl.

Politische Symbolik

In der Fußach-Affäre wurde sehr stark mit politischer Symbolik gearbeitet. Hatten die Vorarlberger zuerst die Benennung des neuen Bodenseeschiffes zu einem Symbol für Selbstbestimmung oder Unterdrückung durch das Zentrum hochstilisiert, so wurden beim Diskurs über die Vorfälle vom 21. November die Österreichische Nationalflagge als Symbol für die Treue zum Bundesstaat Österreich verhandelt. In Meldungen zu den Ereignissen in Fußach war berichtet worden, daß die Österreichische Nationalflagge geschändet worden wäre. Dies wurde von der Bundes-SPÖ als Beweis dafür gesehen, daß die Demonstration von republikfeindlichen, den Österreichischen Staat ablehnende Kräfte betrieben worden war. Die Arbeiter-Zeitung schrieb etwa am 26. November 1964: "Zum erstenmal seit 1938 wurde auf österreichischem Boden diese Fahne in den Schmutz getreten. Vorfälle, wie sie sich in Vorarlberg abgespielt haben, finden eine Parallele nur in Ereignissen bei der Okkupation Österreichs durch Hitler." Die Demonstranten und Vorarlberger Behörden behaupteten dagegen, die Fahnen seien von den Demonstranten lediglich auf Halbmast gesetzt worden, und dann nur durch das Eingreifen der Gendarmerie unabsichtlich zu Boden gerissen worden.

Endgültige Namensgebung

Nachdem sich die erste Aufregung um die Unruhen bei der offiziell abgesagten Schiffstaufe gelegt hatte, begann sich ein Namenskarussel um die Bodenseeschiffe der ÖBB zu drehen. Am 14. Juli 1965 kam es schließlich zum Beschluss der Parteiexekutive der SPÖ, das Schiff doch "Vorarlberg" zu benennen. Am 30. Juli 1965 taufte Probst in der Korneuburger Werft (!) im Rahmen eines Festakts das Bodenseeschiff offiziell auf den Namen '"Vorarlberg"'. Am Bodensee selbst wollte man die Feierlichkeiten nicht abhalten aus Angst vor neuerlichen Kundgebungen. Die '"Vorarlberg"' ist heute noch auf dem Bodensee im Einsatz.

Medien

Die Kommentatoren der SPÖ-nahen Zeitungen sahen sich an die 30er Jahre erinnert und beklagten eine noch immer in Österreich vorhandenen latenten Faschismus , etwa in der Arbeiter-Zeitung vom 24. November 1964:

"[...] Und dann stelle man sich vor, daß diese Methoden zur Durchsetzung eines politischen Willens in den anderen Bundesländern Schule machen. Es braucht wenig Phantasie, um zu sehen , wohin das führte. Dorthin, wo Österreich bereits einmal stand und woran es schon einmal zugrunde ging zu Gewalt und Terror , zum offenen Bürgerkrieg [...] Auch Dollfuß und Hitler haben einmal klein angefangen [...] Die Vorgänge in Fußach sollten und müssen allen aufrechten Demokraten deutlich vor Augen führen, wie labil die politischen Verhältnisse hierzulande noch sind [...] Politiker und Beamte der ÖVP bereiten den Aufwieglern den Boden [...] und sind jetzt bemüht, ihnen den Rückzug zu decken und aus der Terrorbewegung eine Heimatkundgebung mit tränenreichen Ansprachen und Landeshymne zu machen [..]"

Neben der ÖVP wurden vor allem die "Unabhängigen" für die Formierung dieser "Terrorbewegung" verantwortlich gemacht. Gemeint waren damit die "Privatkapitalisten", zu denen wohl auch die Besitzer der bürgerlichen Tageszeitungen, im speziellen die Familie Ruß als Eigentümerin der Vorarlberger Nachrichten, zu zählen sind.

Die bürgerliche Presse verurteilte zwar die gewalttätigen, Gesetze überschreitenden Elemente der Demonstration in Fußach, auf der anderen Seite wurde auch Verständnis für die Demonstranten entgegengebracht, etwa im Neues Österreich vom 22. November 1964:

"Es ist aufgestaute Wut, gegen den Wiener Zentralismus bis zum Sieden angeheizte Animosität der Föderalisten, die in der Schiffstaufe am Bodensee ein Ventil gefunden hat. Letztlich geht es ja gar nicht darum, ob das Schiff nun "Karl Renner" oder "Vorarlberg" heißen soll. [...] Es geht um das Mitspracherecht der kleineren Gemeinschaft bei Entscheidung der größeren, um den Föderalismus."

Schlagzeilen machte die Fußach-Affäre auch in deutschen, italienischen, spanischen und sogar australischen Zeitungen.

Symbol Fußach

Hatte die Fußach-Affäre viel mit politischer Symbolik zu tun (Schiffsname, Fahne), ist Fußach mittlerweile selbst zu einem politischen Symbol geworden. Zeitungen aus anderen österreichischen Bundesländern nahmen selbst in den 1980er Jahren immer wieder Bezug auf Fußach: So erinnerten Kommentatoren etwa im Zusammenhang mit dem Kongressgebäude bei der UNO-City, beim umstrittenen Truppenübungsplatz am Dachstein oder beim Konflikt um die Ladenschlusszeiten in Salzburg an Fußach.

Auch beim seit dem Frühjahr 2005 diskutierten Verkauf der Bodenseeflotte durch die ÖBB wird von vielen politischen Seiten auf die wichtige Rolle der Bodenseeschifffahrt für das Identitätsverständnis Vorarlbergs hingewiesen.

Literatur

Gerhard Wanner: Schiffstaufe Fußach 1964, Bregenz 1980

Harald Dunajtschik,: Volksaufstand wegen Schiffstaufe. Die Fußach-Affäre 1964 in: Gehler, Michael; Hubert Sickinger (Hg.) 1995: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim; Wien

Weblinks

Wikipedia

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