Darmstädter Künstlerkolonie
Die Darmstädter Künstlerkolonie wurde durch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein ( Hessen-Darmstadt ) 1899 auf der Mathildenhöhe gegründet. Unter dem Leitspruch Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst erwartete er aus der Verbindung von Kunst und Handwerk eine wirtschaftliche Belebung seines Großherzogtums. Das Ziel der Künstler sollte die Erarbeitung neuzeitlicher und zukunftsweisender Bau- und Wohnformen sein. Dafür berief Ernst-Ludwig als Kunstmäzen im Jahr 1899 die Jugendstilkünstler Peter Behrens , Paul Bürck , Rudolf Bosselt , Hans Christiansen , Ludwig Habich , Patriz Huber und Joseph Maria Olbrich in den Kreis der Künstlerkolonie nach Darmstadt.
Inhaltsverzeichnis |
Erste Ausstellung 1901
Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie fand unter dem Titel Ein Dokument deutscher Kunst auf der Mathildenhöhe in Darmstadt statt. Objekt der Ausstellung sollte die Kolonie mit den individuellen Künstlerhäusern, einem Atelierhaus sowie verschiedenen provisorischen Bauten für die Zeit der Ausstellung sein. Sie wurde am 15. Mai mit einem Festspiel nach einer Idee von Peter Behrens eröffnet und erregte Aufsehen, weit über die Grenzen Darmstadts hinaus, endete aber im Oktober mit einem größeren finanziellen Defizit. Paul Bürck , Hans Christiansen und Patriz Huber verließen anschließend die Kolonie wieder, wie in den folgenden Jahren auch Peter Behrens und Rudolf Bosselt .
Ernst-Ludwig Haus
Als gemeinschaftliches Ateliergebäude wurde das Ernst-Ludwig-Haus nach Plänen von Joseph Maria Olbrich , dem einzigen Architekten und der zentralen Figur in der Künstlergruppe, gebaut. Peter Behrens betätigte sich ursprünglich nur als Maler und Graphiker. Das Ateliergebäude war zugleich Festgebäude der Künstlerkolonie. In der Mitte des Hauptgeschosses lag der Versammlungs- und Festraum mit Gemälden von Paul Bürck, links und rechts davon schlossen sich die Ateliers der Künstler an. Im Untergeschoss befanden sich zwei Künstlerwohnungen und Wirtschaftsräume. Die sechs Meter hohen Kolossalfiguren "Mann und Weib" oder „Kraft und Schönheit“ flankieren den Eingang, eine Portalnische mit vergoldeten Pflanzenornamenten, und stammen von Ludwig Habich . Die Häuser der Künstler waren um das Atelierhaus gruppiert. In den achtziger Jahren erfolgte eine Rekonstruktion des Gebäudes und die Einrichtung des Museums Künstlerkolonie Darmstadt.
Häuser der Künstler
Die Künstler konnten zu günstigen Konditionen Grundstücke erwerben und darauf ein Wohnhaus errichten, das während der Ausstellung als Musterhaus zu zeigen war. So sollten die Bemühungen zur Zusammenführung von Architektur, Innenausbau , Kunsthandwerk und Malerei an konkreten, gebauten Beispielen gezeigt werden. Allerdings konnten sich nur Olbrich, Christiansen, Habich und Behrens den Bau eigener Wohnhäuser leisten. Während der ersten Ausstellung konnten acht voll eingerichtete Häuser besichtigt werden.
Haus Deiters
Das Haus Wilhelm Deiters , Geschäftsführer der Künstlerkolonie, wurde von Joseph Maria Olbrich entworfen und im Erdgeschoss ausgestaltet. Es bezieht seine besondere Form aus der Eckgeometrie des Grundstücks am Schnittpunkt zweier Strassen. Das kleinste der Häuser ist unzerstört überliefert. Während eines Umbaus von 1991 - 1992 wurde der Originalzustand aus dem Jahre 1901 wiederhergestellt. 1996 wurde das Gebäude vom Deutschen Polen-Institut bezogen.
Großes Glückerthaus
Das Haus von Julius Glückert, es war das größte Wohnhaus der Ausstellung, entwarf Joseph Maria Olbrich. Julius Glückert war Möbelfabrikant und ein wichtiger Förderer der Künstlerkolonie und hatte das Haus als schlüsselfertiges Verkaufsobjekt vorgesehen. Kurz vor der Fertigstellung entschloss er sich aber dazu, das Gebäude für eine ständige Einrichtungsschau mit Erzeugnissen seiner Fabrik zu nutzen. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. Heute ist es Sitz der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung .
Kleines Glückerthaus (Haus Rudolf Bosselt)
Das Wohnhaus wurde von Joseph Maria Olbrich entworfen, Teile der Fassade stammen von Rudolf Bosselt und die Inneneinrichtung wurde von Patriz Huber ausgestattet. Es sollte rsprünglich von dem Bildhauer Bosselt bezogen werden. Dieser konnte aber die Baukosten nicht aufbringen, weshalb das Gebäude noch während seiner Bauzeit von Glückert übernommen wurde. Das heutige Erscheinungsbild entspricht fast dem ursprünglichen.
Haus Behrens
Peter Behrens entwarf als Architekturautodidakt sein eigenes Wohnhaus als architektonisches Erstlingswerk, sowie die komplette Inneneinrichtung. Es sollte ein Beispiel für das im Jugendstil wichtige „Gesamtkunstwerk“ sein, wobei das eigenwillige Haus mit 200.000 Mark das teuerste der Ausstellung war. Das Haus wurde im 2. Weltkrieg 1944 stark beschädigt, es erfolgte aber zumindest äußerlich ein originalgetreuer Wiederaufbau.
Haus Olbrich
Olbrichs eigenes Haus war mit 75.000 Mark im Vergleich zu den anderen Gebäuden preiswert. Das Gebäude im Landhausstil errichtet, hatte ein rotes Krüppelwalmdach , welches an der Nordseite bis über das Erdgeschoss herunter gezogen war. Alle Details der Inneneinrichtung hatte Olbrich selbst entworden. Das Haus wurde im 2. Weltkrieg schwer beschädigt und 1950 - 1951 , wenn auch in stark geänderter Form von Obergeschoß und Dach , wieder aufgebaut. An das Original erinnern heute nur noch die weißen und blauen Fliesen auf der Fassade. Der Künstler Joseph Maria Olbrich lebte hier bis zu seinem Tod 1908 . 1980 wurde es als erstes Haus vom Deutschen Polen-Institut genutzt.
Haus Habich
Das Haus Habich, welches Wohnhaus und Atelier des Bildhauers Ludwig Habich war, wurde von Joseph Maria Olbrich entworfen. Die Inneneinrichtung übernahm Patriz Huber. Das Haus fällt wegen des flachen Daches und des streng geometrischen sowie kubischen Baukörpers mit sparsamer Dekoration auf. Nachdem es im letzten Krieg zerstört wurde, wurde es 1951 stark verändert in den Umrissen des Kubus wieder aufgebaut.
Haus Christiansen
Das Haus Christiansen, wurde von Joseph Maria Olbrich nach den Vorstellungen des Malers Hans Christiansen entworfen. Das Haus erhielt durch Christiansen starkfarbige Akzente und bot dementsprechend viel Diskussionsstoff.. Es wurde im Krieg vollständig zerstört und nicht wiederaufgebaut.
Haus Keller
Das „Beaulieu“ genannte Haus , wurde nach Plänen von Joseph Maria Olbrich für den Privatier Georg Keller. Nach Kriegszerstörungen wurde das Haus stark verändert wiederaufgebaut.
Zweite Ausstellung 1904
Die zweite Ausstellung zeigte nach den großen finanziellen Verlusten bei der ersten fast nur provisorische Bauten. Neben Olbrich und Habich hatte die Kolonie 1904 Johann Vincenz Cissarz , Daniel Greiner und Paul Haustein als neue Mitglieder.
Dreihäusergruppe
Die drei zusammenhängenden, an der Ecke Stiftstraße/Prinz-Christians-Weg gelegenen Häuser, wurden 1904 von Olbrich entworfen. Das Eckhaus, mit vertikalen Bändern aus Backstein, und das Blaue Haus, mit blau glasierten Ziegeln im Erdgeschoss verkleidet, standen mit ihrer Einrichtung zum Verkauf, das dritte, das sogenannte Graue Haus, mit dunklem Rauhputz, war als Wohnung für den Hofprediger bestimmt. Bei diesem war auch die Inneneinrichtung von Olbrich entworfen worden, während die Ausstattung des Blauen Hauses und einiger Räume des Eckhauses durch Paul Haustein und Johann Vincenz Cissarz erfolgte. Das Ensemble sollte Wohnen für mittlere Einkommensschichten aufzeigen. Die Gruppe wurde im letzten Krieg stark beschädigt. Das Graue Haus (Predigerhaus) ist komplett verschwunden, die beiden anderen wurden stark entstellt wiederaufgebaut.
Dritte Ausstellung (Hessische Landesausstellung) 1908
Die dritte Ausstellung, an welcher nur hessische Künstler und Handwerker teilnehmen sollten, hatte als Schwerpunkt eine Kleinwohnungskolonie, um zu zeigen, dass gute Wohnformen auch mit geringen finanziellen Mitteln möglich waren. Sie stand unter dem Motto für freie und angewandte Kunst. Der Kolonie gehörten jetzt außer Olbrich auch Albin Müller , Jakob Julius Scharvogel , Joseph Emil Schneckendorf , Ernst Riegel , Friedrich Wilhelm Kleukens und Heinrich Jobst an.
Ausstellungsgebäude
Nach Plänen von Olbrich wurde 1908 zusammen mit dem Hochzeitsturm das daneben liegende Ausstellungsgebäude als Gebäude für freie Kunst eröffnet, in dem die Mitglieder der Künstlerkolonie ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Kunst und des Kunstgewerbes ausstellen konnten. Das Gebäude steht auf den Gewölben des Behälters zur Wasserversorgung Darmstadts.
Oberhessisches Ausstellungshaus
Als Ausstellungsgebäude für die Produkte der oberhessischen Industrie und des Handwerks wurde dieses Gebäude von Olbrich entworfen und größtenteils ausgestattet. Heute ist in dem Gebäude das Institut für Neue Musik und Musikerziehung untergebracht.
Haus Sutter
Bauherr und Architekt war Konrad Sutter , der auch die gesamten Inneneinrichtung entwarf. Das Gebäude wurde aufgrund seiner eigenwilligen Planung gegen den Protest der Jury unter eigener künstlerischer Verantwortung des Architekten ausgestellt.
Haus Wagner-Gewin
Das Haus wurde von Johann Christoph Gewin entworfen.
Kleinwohnungskolonie
Am Osthang der Mathildenhöhe wurde als Beitrag zum Wohnen von weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten eine Kleinwohnsiedlung bestehend aus einem Zweifamilienhaus, zwei Doppelhäusern und drei Einfamilenhäusern gezeigt. Die Musterhäuser wurden als Kollektivausstellung des Ernst-Ludwig-Vereins und des hessischen Zentralvereins zur Errichtung billiger Wohnung ausgestellt. Die Finanzierung erfolgte durch sechs hessische Großindustrielle. Die Randbedingungen waren, dass die Arbeiterhäuser mindestens drei Wohnräume haben sollten, aus einheimischen Baumaterialien herzustellen waren und als Einfamilienhaus nicht mehr 4000 Mark bzw. als Zweifamilenhaus nicht mehr als 7200 Mark kosten durften. Daneben wurde von den Planern der Entwurf einer kompletten Innenausstattung für weniger als 1000 Mark je Wohnung gefordert. Die Gebäude waren durch die ortsansässigen Architekten Ludwig Mahr , Georg Metzendorf , Joseph Rings , Heinrich Walbe und Arthur Wienkoop sowie Olbrich entworfen worden. Die Gebäude wurden 1908 vollständig eingerichtet gezeigt, aber kurz nach Ausstellungsende wieder abgetragen.
Arbeiterhaus Opel
Im Rahmen der Kleinwohnungskolonie entwarf auch Olbrich im Auftrag der Firma Opel aus Rüsselsheim ein Einfamilienhaus einschließlich der kompletten Inneneinrichtung. Im Erdgeschoss gab es statt der damals üblichen Wohnküche, eine kleine Küche und einen großen Wohnraum, im Obergeschoss zwei große Schlafräume und ein Badezimmer.
Arbeiterhäuser Erbacher Str.138-142
Die drei Häuser von Mahr, Metzendorf und Wienkoop wurden nach der Ausstellung abgetragen und im Auftrag der nahegelegenen herzoglichen Meierei in der heutigen Erbacherstrasse in gleicher Form wiederaufgebaut.
Vierte Ausstellung 1914
Der Schwerpunkt der letzten Ausstellung lag vor allem im Bereich des Mietwohnungsbaus, für den Albin Müller am Nordrand der Mathildenhöhe acht dreigeschossige Mietshausbauten errichtete. Drei Häuser enthielten Mustereinrichtungen verschiedener Koloniemitglieder. Neben den Wohnungsbauten gelegen wurde ein neues fünfgeschossiges Ateliergebäude errichtet. Die Wohnhauszeile wurde im letzten Krieg zerstört, das Ateliergebäude mit seiner braun gebänderten Südfassade blieb aber erhalten. Auch der neu gestaltete Platanenhain und das Löwentor (jetzt Eingangstor zum Park Rosenhöhe) können heute noch besichtigt werden. Mitglieder der Kolonie waren noch Jobst, Kleukens und Müller sowie Emanuel Josef Margold , Edmund Körner und Bernhard Hoetger .
Randbebauung
Die ortsansässigen Architekten Darmstadts waren an den ersten Ausstellungen auf der Mathildenhöhe nicht beteiligt. Allerdings konnten Traditionalisten, wie Alfred Messel mit dem Haus Ostermann, Georg Metzendorf mit dem Haus Kaiser, Heinrich Metzendorf mit dem Haus Stockhausen und Friedrich Pützer u.a. mit den Häusern Mühlberger und Becker/Bornscheuer, in den Randbereichen der Künstlerkolonie auch ihre Auffassung von Architektur zeigen.
Neue Künstlerkolonie Rosenhöhe
In den sechziger Jahren richtete die Stadt Darmstadt eine neue Künstlerkolonie ein. Dazu wurden von 1965-1967 im Park Rosenhöhe sieben Atelier- und Wohnhäuser nach Plänen von Rolf Prange, Rudolf Kramer, Bert Seidel, Heribert Hausmann und Reinhold Kargel errichtet. Dort wohnen bzw. wohnten unter anderem der Schriftsteller Heinrich Schirmbeck , der Lyriker Karl Krolow und der Bildhauer Wilhelm Loth .
Literatur
Jürgen Bredow und Johannes Cramer: Bauten in Darmstadt Architekturführer. Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1979. ISBN 3-7929-0106-4
Weblinks
Koordinaten:
49° 52' 38" N, 8° 40' 01" O
Kategorien : Darmstadt | Künstlerkolonie
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