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Letzte Änderung für Artikel Bundesverfassungsgericht: 19.02.2006 17:50

Bundesverfassungsgericht

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Logo auf den Entscheidungen des Verfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist das Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland . Als Hüter der deutschen Verfassung hat das Gericht eine Doppelrolle einerseits als unabhängiges Verfassungsorgan und andererseits als Teil der Judikativen Staatsgewalt auf dem speziellen Gebiet des Verfassungs- und Völkerrechts . Obwohl es Entscheidungen anderer Gerichte kontrolliert, gehört es nicht zum Instanzenzug , sondern überprüft sie wie bei anderen Staatsorganen als Akte der Staatsgewalt.

Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz in Karlsruhe und ist als Verfassungsorgan von einem Befriedeten Bezirk umgeben. Geschützt wird es von der Bundespolizei .

Kollegium des Ersten Senats, 2004
Kollegium des Ersten Senats, 2004
Kollegium des Zweiten Senats, 2005
Kollegium des Zweiten Senats, 2005
Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe
Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Verfassungsgerichtsbarkeit ist in Deutschland keine Erfindung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits Institutionen wie das Reichskammergericht ab 1495 und der Reichshofrat ab 1518 sprachen Recht zwischen Staatsorganen. Nach der Paulskirchenverfassung 1849 hätte das Reichsgericht mit verfassungsrechtlichen Kompetenzen ausgestattet sein sollen. 1850 entstand mit dem Bayerischen Staatsgerichtshof in Deutschland das erste spezielle Gericht für verfassungsrechtliche Fragen. Ein eingeschränktes Verfassungsgericht sah die Weimarer Verfassung mit dem Staatsgerichtshof vor.

Mit dem Bundesverfassungsgericht sah ab 1949 das Grundgesetz (GG) eine juristische Infrastruktur sui generis vor.

Errichtung, Aufgaben und Besetzung des Verfassungsgerichts werden in den Artikeln 92 bis 94 GG geregelt. Weitere Regeln über Organisation, Befugnisse und Verfahrensrecht finden sich im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG). Das Gericht bedurfte anders als die übrigen Verfassungsorgane der Konstituierung durch dieses Gesetz. Es nahm seine Arbeit zwei Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes auf – am 9. September 1951 wurden die ersten Entscheidungen getroffen; als "Tag der Eröffnung" wird in den Annalen des Gerichts der 28. September 1951 bezeichnet.

Bindungswirkung und Gesetzeskraft

Die besondere Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts kommt in § 31 Abs. 1 BVerfGG zum Ausdruck:

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

Die formelle Bindungswirkung einer Entscheidung besteht nur im konkreten Fall ( inter partes ). Es besteht keine inhaltliche Bindung für andere Gerichte an die ausgeurteilte Rechtsmeinung des Gerichts. Diese haben keine Gesetzeskraft. Die Rechtsmeinung des Bundesverfassungsgerichts ist aber eine Richtschnur für die untergeordneten Gerichte, die meist auch befolgt wird. Abweichungen sind recht selten. Jedes Gericht kann aber in einem anderen gleich oder ähnlich gelagerten Fall einer anderen juristischen Meinung folgen, wenn es dies für richtig hält.

In den in § 31 Abs. 2 BVerfGG genannten Fällen haben die Entscheidungen des Gerichts jedoch Gesetzeskraft und gelten für jedermann ( inter omnes ). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Verfahren, in den das Gericht feststellt, ob ein Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht. Nur das Bundesverfassungsgericht kann ein Gesetz für verfassungswidrig erklären, das nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verabschiedet wurde ( Normenverwerfungskompetenz ). Hat ein anderes Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, hat es dies dem BVerfG gemäß Art. 100 GG vorzulegen, soweit es entscheidungserheblich ist (konkrete Normenkontrolle).

Organisation und Spruchkörper

Das Gericht ist aufgeteilt in zwei Senate und sechs Kammern mit unterschiedlichen sachlichen Zuständigkeiten. Es hat die Kompetenz, die Zuständigkeiten der Senate und Kammern durch die Geschäftsordnung zu ändern, die es sich selbst gibt. Zunehmend wird dabei der juristische Hintergrund und Schwerpunkt der Mitglieder berücksichtigt.Vereinfachend ließ sich früher der erste Senat als „Grundrechtssenat“ und der zweite Senat als „Staatsrechtssenat“ klassifizieren: Der erste Senat war vor allem für Fragen der Auslegung der Art. 1 bis 17, 19, 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG zuständig, während Organstreitigkeiten zwischen Verfassungsorganen oder Parteiverbotsverfahren vor den zweiten Senat gelangten. Diese Abgrenzung trifft heute nicht mehr zu, da beide Senate Verfahren je nach Fachmaterie bearbeiten. Durch die hohe Kontrolldichte seiner Rechtsprechung bildet das Gericht letztlich die Regelungsdichte des deutschen Rechtssystems ab.

Jeder Senat war ursprünglich mit 12 Richtern besetzt. 1963 wurde die Zahl der Richter auf 8 gesenkt. Dies schließt den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts ein, die jeweils einem der Senate vorsitzen. Ein Senat ist beschlussfähig, wenn mindestens 6 Richter anwesend sind. Wegen der geraden Anzahl der Richter in einem Senat sind Pattsituationen möglich (so genannte 4-zu-4-Entscheidung). Ein Antragsteller oder Beschwerdeführer gewinnt, wenn mindestens 5 Richter seine Rechtsauffassung teilen.

Die Senate berufen innerhalb ihrer Geschäftsbereiche selbständig mehrere Kammern, die mit jeweils 3 Richtern besetzt sind. Diese Kammern entscheiden bei Verfassungsbeschwerden, konkreten Normenkontrollen und Verfahren nach dem PUAG anstelle des Senats und entlasten ihn. Zurzeit bestehen bei jedem Senat jeweils drei Kammern. Danach sind manche Richter in mehreren Kammern Mitglied.

Bei einem Mehrheitsbeschluss haben unterlegene Richter die Möglichkeit, einzeln oder gemeinsam der Entscheidung des Gerichtes ein Sondervotum beizufügen. Dieses wird dann gemeinsam mit der Entscheidung des Gerichts unter der Überschrift „Abweichende Meinung des Richters …“ veröffentlicht.

Zur Vereinheitlichung seiner Rechtsprechung tritt das Gericht als Plenum zusammen, wenn ein Senat von der Rechtsprechung des anderen Senates abweichen will. Hierzu bedarf es eines Vorlagebeschlusses des abweichenden Senats. Das Plenum besteht aus allen Richtern, den Vorsitz führt der Präsident. Bis dato wurde das Plenum nur 2 Mal angerufen.

Da viele Entscheidungen von den wissenschaftlichen Mitarbeitern vorbereitet werden, spricht man in Juristenkreisen gelegentlich auch von einem „dritten Senat“, wenn man sich auf die Gesamtheit der Mitarbeiter bezieht.

Richter

Richter bei diesem Gericht zu sein, ist eine hohe berufliche Ehre; bekannte Persönlichkeiten sind und waren Richter am Bundesverfassungsgericht. Gewählt werden die Richter zur Hälfte von einem speziellen Richterwahlausschuss des Bundestags und zur anderen Hälfte vom Bundesrat . Sie haben eine einmalige Amtszeit von 12 Jahren, was ihre persönliche Unabhängigkeit gewährleistet.

Während im Bundesrat eine direkte Wahl mit 2/3-Mehrheit stattfindet, wählt im Bundestag ein Wahlausschuss aus 12 Abgeordneten, die unter Zugrundelegung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens ermittelt/gewählt werden. Ein Kandidat ist gewählt, wenn er mindestens acht Stimmen dieses Ausschusses auf sich vereinigt.

Dabei werden drei Richter jedes Senats aus den Richtern an den obersten Gerichtshöfen des Bundes ausgewählt. Wählbar ist jeder, der über 40 Jahre alt ist und nach dem Deutschen Richtergesetz die Befähigung zum Richteramt besitzt (2. Juristisches Staatsexamen) oder Professor der Rechte an einer deutschen Universität ist. Die Richter müssen zum Bundestag wählbar sein und dürfen weder dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landes angehören.

Gemäß § 4 Abs. 3 BVerfGG besteht eine Altersgrenze von 68 Jahren für die Richter. Mit Ablauf des Monats, in dem der Richter 68 Jahre alt wird, endet seine Amtszeit, wobei er allerdings das Amt noch weiterführt, bis ein Nachfolger ernannt ist.

Präsident und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts werden nach § 9 BVerfGG abwechselnd von Bundestag und Bundesrat bestimmt. Üblicherweise sind dies die Senatsvorsitzenden, auch ist es üblich nach Ausscheiden eines Präsidenten aus dem Amt den Vizepräsidenten zu seinem Nachfolger zu bestimmen.

Das Gericht unterliegt als Verfassungsorgan keiner Dienstaufsicht .

Erster Senat

Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes
Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
Hans-Jürgen Papier (* 1943 ) Februar 1998 Februar 2010 (Amtszeit)
Evelyn Haas (* 1949 ) September 1994 September 2006 (Amtszeit)
Dieter Hömig (* 1938 ) Oktober 1995 31. März 2006 (Altersgrenze)
Udo Steiner (* 1939 ) Oktober 1995 30. September 2007 (Altersgrenze)
Christine Hohmann-Dennhardt (* 1950 ) Januar 1999 Januar 2011 (Amtszeit)
Wolfgang Hoffmann-Riem (* 1940 ) Dezember 1999 31. März 2008 (Altersgrenze)
Brun-Otto Bryde (* 1943 ) 23. Januar 2001 31. Januar 2011 (Altersgrenze)
Reinhard Gaier (* 1954 ) November 2004 November 2016 (Amtszeit)

Zweiter Senat

Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes
Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
Winfried Hassemer (* 1940 ) Mai 1996 29. Februar 2008 (Altersgrenze)
Siegfried Broß (* 1946 ) September 1998 September 2010 (Amtszeit)
Lerke Osterloh (* 1944 ) Oktober 1998 Oktober 2010 (Amtszeit)
Udo Di Fabio (* 1954 ) Dezember 1999 Dezember 2011 (Amtszeit)
Rudolf Mellinghoff (* 1954 ) 23. Januar 2001 23. Januar 2013 (Amtszeit)
Gertrude Lübbe-Wolff (* 1953 ) April 2002 April 2014 (Amtszeit)
Michael Gerhardt (* 1948 ) Juli 2003 Juli 2015 (Amtszeit)
Herbert Landau (* 1948 ) Oktober 2005 30. April 2016 (Altersgrenze)

Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Präsidenten . Er ist Dienstvorgesetzter der Beamten des Gerichts und ist im Protokoll hinter dem Bundespräsidenten, dem Präsidenten des Bundestags, dem Bundeskanzler sowie dem Präsidenten des Bundesrats an fünfter Stelle. Dieses Amt hatten bislang folgende Personen inne:

Bundesverfassungsgerichtspräsidenten
Nr. Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Hermann Höpker-Aschoff ( 1883 – 1954 ) 7. September 1951 15. Januar 1954
2 Josef Wintrich ( 1891 – 1958 ) 23. März 1954 19. Oktober 1958
3 Gebhard Müller ( 1900 – 1990 ) 8. Januar 1959 8. Dezember 1971
4 Ernst Benda (* 1925 ) 8. Dezember 1971 20. Dezember 1983
5 Wolfgang Zeidler ( 1924 – 1987 ) 20. Dezember 1983 16. November 1987
6 Roman Herzog (* 1934 ) 16. November 1987 30. Juni 1994
7 Jutta Limbach (* 1934 ) 30. Juni 1994 10. April 2002
8 Hans-Jürgen Papier (* 1943 ) 10. April 2002 voraussichtlich 2010 (Amtszeit)

Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts

01.) Rudolf Katz 07.09.1951 - 23.07.1961

02.) Friedrich Wilhelm Wagner 19.12.1961 - 18.10.1967

03.) Walter Seuffert 18.10.1967 - 07.11.1975

04.) Wolfgang Zeidler 07.11.1975 - 20.12.1983

05.) Roman Herzog 20.12.1983 - 16.11.1987

06.) Ernst Mahrenholz 16.11.1987 - 24.03.1994

07.) Jutta Limbach 24.03.1994 - 14.09.1994

08.) Johann Friedrich Henschel 29.09.1994 - 13.10.1995

09.) Otto Seidl 13.10.1995 - 27.02.1998

10.) Hans-Jürgen Papier 27.02.1998 - 10.04.2002

11.) Winfried Hassemer 10.04.2002 -

Zuständigkeiten und Verfahrensarten (Überblick)

Das Bundesverfassungsgericht ist zur Streitentscheidung nur zuständig, wenn sich dies aus dem Grundgesetz oder § 13 BVerfGG ergibt (sogenanntes Enumerativprinzip ). Wie jedes andere Gericht kann es nicht von sich aus aktiv werden, sondern muss angerufen werden. Neben seinen Aufgaben auf Bundesebene kann es eine Zuständigkeit bei Verfassungsstreitigkeiten um die Auslegung von Landesverfassungen geben, wenn dies die Verfassung eines Bundeslandes vorsieht (etwa Schleswig-Holstein).

Nicht zuständig ist das Bundesverfassungsgericht jedoch bei Streitigkeiten, die die Europäische Union oder ihre Verträge berühren. In diesem Fall ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig.

Verfassungsbeschwerde

→ Hauptartikel Verfassungsbeschwerde

Jeder, der sich in seinen Grundrechten durch staatliches Handeln verletzt sieht, kann eine Verfassungsbeschwerde einreichen (Individualbeschwerde). Unter staatlichem Handeln ist jeder Akt der öffentlichen Gewalt zu verstehen, der in Rechtspositionen des Grundrechtsträgers eingreift. Darunter fallen alle Akte der vollziehenden Gewalt, Rechtsprechung und Gesetzgebung. Nicht nur Handeln, sondern auch Unterlassen können Akte der öffentlichen Gewalt umfassen. Der sogenannte „klassische Eingriffsbegriff“, der bis 1992 maßgeblich war, definierte darunter einen Eingriff, der

  • final und nicht nur unbeabsichtigte Folge staatlichen Handelns ist
  • unmittelbar ist
  • durch einen Rechtsakt mit imperativer Außenwirkung begründet ist.

Das moderne Eingriffsverständnis verzichtet auf die Merkmale des Rechtsaktes, der Unmittelbarkeit und der imperativen Außenwirkung und macht im Ergebnis fast jede Einwirkung des Staates überprüfbar.

Das Gericht ist jedoch keine Superrevisionsinstanz : Eine falsche Anwendung einfacher Gesetze durch die Fachgerichte genügt nicht für eine zulässige Beschwerde, wenn diese Rechtspositionen nicht grundrechtlich geschützt sind.

Es gibt verschiedene Verfassungsbeschwerden:

  • gegen Gesetze und/oder andere Normen des Bundes
  • gegen Gesetze und/oder andere Normen eines Bundeslandes, sofern kein Landesverfassungsgericht zuständig ist
  • gegen eine Behördenentscheidung
  • gegen eine Gerichtsentscheidung
  • gegen jedes andere staatliche oder dem Staat zuordenbare Handeln

Damit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, darf dem Beschwerdeführer kein anderes Rechtsmittel mehr offen stehen (Subsidiaritätsprinzip). Ausnahmen sind allenfalls dann zulässig, wenn dem Beschwerdeführer die Ausschöpfung des Rechtsweges nicht zumutbar ist und die wirksame Durchsetzung seiner Grundrechte sonst vereitelt werden würde.

Eine Bearbeitungsgarantie gibt es allerdings nicht. 1993 wurde, um der Flut von Klagen Herr zu werden, mit dem § 93d BVerfGG die Möglichkeit geschaffen, Verfassungsbeschwerden ohne Begründung abzuweisen. Beschwerdeführer erfahren damit nicht, aus welchem Grund ihre Beschwerde abgewiesen wurde. Damit ist die Korrektur von Fehlern oder Versäumnissen des zuvor beschrittenen Rechtsweges erschwert. Nur 2,5 % aller Anträge werden bearbeitet. Begründet wurde dieses „Rationalisierungsgesetz“ damit, dass Begründungen richterlicher Entscheidungen nur zum Anrufen weiterer Instanzen notwendig seien. Mit dem Erreichen des Bundesverfassungsgerichts sei der Instanzenweg erschöpft. Bedenklich ist der § 93d BVerfGG, weil er das Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt. Bürger, die sich hoheitlichen Entscheidungen unterwerfen müssen ohne den Grund dafür zu erfahren, müssen unter Umständen auch Fehlbeurteilungen oder Willkür hinnehmen. Auch erscheint es bedenklich unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, Entscheidungen ohne eine wenn auch pauschalierte oder knappe Begründung bei einem an sich zulässigen Rechtsmittel zu erhalten.

Hinzu kommt, dass das Gericht eine Art Belästigungsstrafe wiederum ohne Anhörung oder ausreichende Begründung erlassen kann und auch erlässt, was das ganze Verfassungsbeschwerdeverfahren insgesamt willkürlich erscheinen lässt und gerade die Belästigungsstrafe dazu führt, dass auch begründete Beschwerden gerade sozial schwacher Bevölkerungsschichten oftmals nicht erhoben werden. Allerdings gibt es noch keine empirische Untersuchungen auf wen diese Gebühr abschreckend wirkt.

Auch juristische Personen können Verfassungsbeschwerde erheben. Dies aber nur, sofern die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen Anwendung finden können (Art. 19 Abs. 3 GG), etwa Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder Eigentum (Art. 14 GG), nicht aber Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich nicht beschwerdebefugt.

Gemeinden und Gemeindeverbände können eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung einreichen, sie seien in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletzt. In diesem Fall spricht man von Kommunalverfassungsbeschwerden.

Die Verfassungsbeschwerde ist die bei weitem häufigste Verfahrensart, ein Großteil der Beschwerden scheitert aber. Der größte Teil dieser Verfahren wird nicht durch die Senate, sondern durch eine Kammer entschieden, wenn sie bereits geklärte Rechtsfragen aufwerfen oder offensichtlich unbegründet sind oder offensichtlich begründet. Zum Teil kann das Gericht in solchen Fällen a limine entscheiden.

Konkrete Normenkontrolle

Ein Fachgericht, das ein bestimmtes Gesetz für verfassungswidrig hält, kann durch Beschluss das Verfahren der konkreten Normenkontrolle einleiten (Art. 100 GG). Dadurch unterbricht es die eigene Prozedur und gibt den Fall zur inzidenten Prüfung an das Verfassungsgericht ab. Nur das Verfassungsgericht kann Gesetze für verfassungswidrig erklären und verfügt exklusiv über die Normverwerfungskompetenz im deutschen Rechtssystem.

Nicht zulässig ist eine konkrete Normenkontrolle jedoch für vorkonstitutionelles Recht , also für Gesetze, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind. Ihre Anwendung können Fachgerichte und Behörden selbst verwerfen. Hierunter fallen jedoch nicht folgende Fälle:

  • wesentliche Bestandteile des vorkonstitutionellen Gesetzes wurden nach Inkrafttreten des Grundgesetzes geändert oder
  • Verweisung eines neuen Gesetzes zu einem vorkonstitutionellen Gesetz oder
  • das neue Gesetz steht in einem engen sachlichen Zusammenhang zum vorkonstitutionellen Gesetz oder
  • das vorkonstitutionelle Gesetz wurde neu verkündet.

Wenn es in einem gerichtlichen Verfahren auf die Gültigkeit einer Norm des Gemeinschaftsrechts ankommt, hat das Fachgericht zunächst die Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Wenn der EuGH ihre Gültigkeit bejaht, hat deutsche Fachgericht aber gleichwohl eine Vorlage zum BVerfG als konkrete Normenkontrolle zu beschließen (entsprechende Anwendung von Art. 100 Abs. 1 GG), wenn es von der Ungültigkeit der EU-Norm

  • wegen Verletzung des nach Art. 23 GG unabdingbaren grundrechtlichen Mindeststandards oder
  • wegen Ãœberschreitung der Gemeinschaftskompetenzen (Ausbrechen aus dem „Integrationsprogramm“ der Verträge)

überzeugt ist. → Übersicht, Solange I , Solange II , Maastricht-Urteil

Abstrakte Normenkontrolle

Das BVerfG wird auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder mindestens einem Drittel der Mitglieder des Bundestags tätig. Die abstrakte Normenkontrolle ermöglicht somit der Opposition, die Verfassungsmäßigkeit eines von der Regierung-stützenden Mehrheit beschlossenen Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrags prüfen zu lassen.

Organstreit

Ein Organstreit ist ein Rechtsstreit zwischen staatlichen Organen über Rechte und Pflichten, die sich aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status ergeben, namentlich aus der Verfassung oder aus ihrer in Selbstverwaltung gegebenen Geschäftsordnung oder Satzung.

Bund-Länder-Streit

Ein Bund-Länder-Streit wird bei einer Differenz zwischen Bund und Ländern beispielsweise in Fragen der Gesetzgebungskompetenz angestrengt.

Parteiverbot

Parteiverbote sind Verfahren nach Artikel 21 GG. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. Bisher wurden 1952 die SRP (Sozialistische Reichspartei) und 1956 die KPD verboten. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD ist vom Gericht 2003 eingestellt worden .

Verwirkung von Grundrechten

Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. In der Geschichte des Gerichts waren vier Verfahren anhängig. → Hauptartikel Grundrechtsverwirkung und Grundrechtsverwirkungsverfahren

Wahlprüfung

Das Gericht ist die zweite und letzte Instanz bei Einsprüchen gegen die Bundestagswahl. Die erste Instanz ist als selbst verwaltetes Organ der Bundestag selbst. Wahlprüfungsbeschwerde können Mitglieder des Bundestages, der Bundesrat oder die Bundesregierung oder ein Quorum von mindestens 101 wahlberechtigten Bürgern erheben. Es müsste hierzu durch Handeln oder Unterlassen während der Wahl ein Fehler aufgetreten sein, der sich auf die Sitzverteilung im Bundestag auswirkte.

Anklagen gegen den Bundespräsidenten oder Richteranklagen

Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. Eine solche Anklage ist noch nie vorgekommen.

Vorläufiger Rechtsschutz

Wie nach jeder anderen Prozessordnung kann das Verfassungsgericht vorläufige Entscheidungen treffen, bis das Hauptverfahren entschieden ist ( einstweilige Anordnungen gemäß § 32 BVerfGG). Eine Besonderheit liegt darin, dass sich Organstreitverfahren und Normenkontrollen in der Praxis erledigen, wenn sie politisch brisant sind. Die „unterliegende“ Seite betreibt das Hauptverfahren oft nicht weiter.

Kritik am Bundesverfassungsgericht

Ungeachtet wechselnder Kritik hat das Gericht eine bemerkenswerte und im internationalen Vergleich herausragende Kontrollfrequenz und –dichte entwickelt und übt gleichzeitig einen sehr strengen judicial self-restraint , die andere Rechtsordnungen in dieser Kombination oft nicht kennen (vgl. US Supreme Court ). Dieses vorgegebene und fortlaufend selbst entwickelte Verfassungsverständnis machte es zu einer eigenen demokratischen Institution, die ein einmaliges Vertrauen im Staatsvolk genießt und international benennt man es als Beispiel für hochentwickelte Rechtskontrolle. Die Rolle des Gerichts als Hüter des Grundgesetzes geht per definitionem über bloße Willkürkontrolle des Staates hinaus, es ist die konservierende und integrale Bewahrung der Verfassung in der innerdeutschen Entwicklungsdynamik und im Kontext der Europäischen Union.

Das Gericht kooperiert mit den obersten oder Verfassungsgerichten von über 70 Staaten und seine Position als starkes Verfassungsorgan diente anderen Ländern als staatsorganisatorisches Vorbild.

Inhaltlich

Bei einigen Urteilen wird kritisiert, das Gericht gehe klaren Entscheidungen aus dem Weg. Etwa wurde das „ Kopftuchurteil “ vielfach als unbefriedigend und aufschiebend empfunden. Diese Kritik hört man vor allem von Seiten, die das Gericht gern als letztinstanzliches politisches Korrektiv sehen würden. Dagegen ist das Gericht seit seinem Bestehen resistent geblieben. Seine Praxis von judicial self-restraint sieht es als unerlässlich in die Rollenverteilung der Verfassungsorgane tunlichst nicht einzugreifen. Dies zeigte sich zuletzt bei der Entscheidung zur Bundestagsaufllösung 2005 .

Andererseits wurde aus der Politik bei mehreren Urteilen gerügt, das Gericht weite seine Kompetenzen zu denen eines Ersatzgesetzgebers aus, obwohl diese Rolle nach der Verfassung dem Parlament zugedacht ist. Anstatt sich auf erhebliche Überschreitungen und Willkür des Gesetzgebers zu beschränken, bringe es eigene soziale und politische Vorstellungen ein und mache dem Gesetzgeber dezidierte Vorgaben von Gerechtigkeit, die oft schwer zu finanzieren sind und zum anderen von Vorstellungen der Politik abweichen.

Zum Teil urteilen die beiden Senate des Bundesverfassungsgerichtes unterschiedlich trotz gesetzlicher Normen zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung, etwa in der Frage, ob ein Arzt für den Unterhalt eines behinderten Kindes haftet, wenn er Eltern hinsichtlich einer Abtreibung aus gesundheitlichen Gründen ungenügend aufklärt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bei einigen Entscheidungen des Gerichts, die nicht genügende Wahrung der Menschenrechte angenommen, etwa beim Schutz der Privatsphäre von Personen des öffentlichen Lebens, den das Gericht nur Kindern dieser Personen uneingeschränkt gewährte.

Besetzung

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Wahl der Richter durch Politiker nach Absprache zwischen den politischen Parteien, insbesondere die rotationsmäßige Benennung. Ein Vorschlag durch die Justizministerin würde jedoch die Parlamentsrechte beschneiden. Auch wenn die Richter meist Mitglieder einer Partei sind, lässt sich doch bei ihren Entscheidungen kein parteien- oder interessengerichtetes Muster feststellen.

Bedeutende Entscheidungen (thematisch geordnet)

Entscheidungen des Gerichts werden u. a. in der amtlichen Sammlung BVerfGE veröffentlicht.

Grundrechtsschutz allgemein und Prozessuales

  • Das Elfes-Urteil behandelte die allgemeine Handlungsfreiheit , rechtlich bedeutsam ist es durch die Definition des prozessualen Grundrechtsschutzes: Das Gericht definiert als verfassungsmäßige objektive Rechtsordnung die Gesamtheit aller Normen auf allen normenhierarchischen Ebenen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und weist darauf hin, dass grundrechtlich geschützte Positionen nicht nur im Grundgesetz niedergelegt sind, sondern zahlreich und oft durch einfaches Recht fallkonkret geregelt werden. Ein Verstoß dagegen kann immer mindestens als Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG gerügt und vom Verfassungsgericht überprüft werden. Da jedoch das deutsche Rechtssystem eine Superrevision nicht kennt, bedarf es einer verfassungsrechtlich fokussierten Begrenzung (sog. Heck’sche Formel), wonach das Gericht die Entscheidungen von Fachgerichten nur auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts prüft:
    • wenn der Einfluss einer Verfassungsnorm ganz oder grundsätzlich verkannt wurde
    • wenn die Rechtsanwendung grob oder offensichtlich willkürlich war oder
    • wenn die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten wurden.

(BVerfGE 6, 32).

Gewissensfreiheit

  • Das Gericht hebt 1978 ein Bundesgesetz auf, nach dem Wehrpflichtige den Kriegsdienst durch eine schriftliche Erklärung verweigern konnten, ohne im einzelnen ihre Gewissensentscheidung darzulegen (auch als „Verweigerung per Postkarte“ bezeichnet), BVerfGE 2 BvF 1/77, 2 BvF 2/77, 2 BvF 4/77, 2 BvF 5/77.

Kunstfreiheit

  • Mephisto-Entscheidung 1971 definiert den verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Kunst durch einen offenen Kunstbegriff (BVerfGE 30, 173 )
  • In der Entscheidung zur Indizierung des Romans „ Josefine Mutzenbacher “ geht 1990 das Gericht auf das Verhältnis von Kunstfreiheit und Jugendschutz ein und stellt klar, dass Pornografie und Kunst einander nicht ausschließen. (BVerfGE 83, 130)

Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz)

  • 1983 wird im Volkszählungsurteil ein im Grundgesetz nicht kodifiziertes Grundrecht aus mehreren Verfassungsprinzipien hergeleitet und als eigenständiges Rechtsinstitut definiert. (BVerfGE 65, 1)

Ehe und Familie

  • Das Gericht bestätigte 2001 bzw. 2002 das Lebenspartnerschaftsgesetz und stellte klar, dass Gleichberechtigung von Homosexuellen dem besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) nicht widerspricht. Das Grundgesetz verlange eine besonders aktive Förderung von Ehe und Familie, wohl aber kein „Abstandsgebot“ zu anderen Lebensgestaltungen – von der Benachteiligung anderer hätten Ehen und Familien nichts (BVerfGE 105, 313).
  • siehe auch: Ãœbersicht zur weiteren Rechtsprechung in wirtschaftlichen und steuerlichen Fragen

Unverletzlichkeit der Wohnung und Telekommunikationsfreiheit

  • Großer Lauschangriff : 2004 werden Vorschriften über akustische Wohnraumüberwachung als teilweise verfassungswidrig aufgehoben. Das Gericht definiert anhand des Grundrechts auf Informationelle Selbstbestimmung einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, als persönliches Refugium des Bürgers, der durch staatliche Maßnahmen nicht zu penetrieren ist und selbst Strafverfolgung keine Eingriffsrechtfertigung sein darf (BVerfGE 109, 279)
  • Die präventive Telefonüberwachung in Niedersachsen wird 2005 für verfassungswidrig erklärt, da Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz fehle. Materiell bedeutsam ist die Entscheidung für ähnliche Landesgesetzgebung in Thüringen und Bayern (BVerfGE 1 BvR 668/04).

Gleichheit vor dem Gesetz

  • In der Spekulationsteuer -Entscheidung für die Jahre 1997 und 1998 erklärte das Gericht Teile des Einkommensteuergesetzes für verfassungswidrig und nichtig, die die Belastung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren zwar vorsehen, aber auf die eigene rechtliche Durchsetzbarkeit verzichten, sog. strukturelles Vollzugsdefizit . Damit sei eine ungleichmäßige Belastung schon im Gesetz angelegt (BVerfGE 2 BvL 17/02).

Meinungs- und Pressefreiheit

  • In der „Tucholsky-Entscheidung“ um die öffentliche Aussage “Soldaten sind Mörder!“ bleibt das Gericht seiner Tradition treu, die Meinungs- und Pressefreiheit als demokratievitales Verfassungsgut zu schützen und führt eine musterhafte Prüfung von Grundrechtseingriffen aufgrund eines Gesetzesvorbehalts als verfassungsrechtliche Schranke . Diese Entscheidung zeigt die praktische Anwendung wichtiger Grundsätze aus der ständigen Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz wie die Heck’sche Formel, die Wechselwirkungslehre , die objektive Wertrangordnung und die Schutzbereichsdefinition von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen (BVerfGE 93, 266).

Demonstrations- und Versammlungsfreiheit

  • In der Brokdorf Entscheidung hebt das Gericht die besondere Bedeutung der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit für eine plebiszitarmen Demokratie hervor, weshalb ein besonders starker Status Negativus gegen exzessive Reglementierungen durch Gesetz oder Verwaltungsakt wirke. Eingriffsmaßnahmen dürfe der Staat aufgrund der Polizeigesetze nicht treffen, sondern nur anhand des grundrechtsschonenden Versammlungsrechts (sog. Polizeifestigkeit). Auch dürften solche nicht mit Hinweis auf eine gewaltbereite Minderheit ergriffen werden (BVerfGE 69, 315).

Religionsfreiheit

  • In der sog. Scientology -Entscheidung definiert 1994 das Gericht die Religionsfreiheit u. a. als kollektives Grundrecht und eine daraus resultierende Selbstverwaltungsfreiheit von Religionsgemeinschaften. Diese sei jedenfalls bei einer gewerblichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht nicht verletzt, wenn die Religionsgemeinschaft zur Gewerbeanzeige und Gewerbesteuer verpflichtet wird ( DVBl. 1194, 413)
  • Kruzifix-Beschluss 1995 erklärt Teile des Bayerischen Schulgesetzes für verfassungswidrig, wonach in jedem Klassenzimmer der Volksschulen in Bayern ein Kruzifix oder ein Kreuz anzubringen war. (BVerfGE 93, 1)
  • 2002 entscheidet das BVerfG, dass es verfassungswidrig ist, muslimischen Metzgern Ausnahmegenehmigungen für das religiöse Schächten von Tieren zu verweigern. (BVerfGE 104, 337)
  • Im Kopftuchstreit untersagt das Gericht 2003 dem Land Baden-Württemberg, das Tragen eines Kopftuchs ohne gesetzliche Grundlage zu verbieten und auf eine fehlende Eignung für den Staatsdienst zu schließen. (BVerfGE 108, 282).

Abtreibung

Mehrere gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 ff StGB ) werden durch das Gericht für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben, weil sie dem Lebensschutzmaßstab des Grundgesetzes nicht entsprachen, u. a. die sog. „Fristenregelung“.

Rundfunk-Urteile

In mehreren Entscheidungen hat das Gericht die Entwicklung von Presse, Rundfunk und Medien wie kaum eine andere Materie erheblich mitgestaltet.

Universitäten und Berufsfreiheit

  • Im Apothekenurteil definiert das Gericht die Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht, das auf 3 Ebenen nach strengen abgestuften Kriterien einschränkbar ist, sog. 3-Stufen-Theorie (BverfGE 7, 377)
  • In der Numerus Clausus -Entscheidung wird ein Anspruch auf Zulassung zum Hochschulstudium und Kapazitätsausbau als status positivus definiert, der zum Schutzbereich der Berufsfreiheit gehöre der (BVerfGE 33, 303).
  • Hochschulrahmengesetz des Bundes wird in den Jahren 2004 und 2005 in wichtigen Teilen für verfassungswidrig erklärt, weil der Bund nur die Rahmengesetzgebungskompetenz habe. Dies betrifft die Juniorprofessur (BVerfGE 2 BvF 2/02) sowie das Verbot von Studiengebühren (BVerfGE 2 BvF 1/03).

Eigentum

  • Im Nassauskiesungs-Beschluss legt das Gericht den Schutzbereich eines sehr definitionsbetonten Grundrechts wie dem Eigentum fest und die juristischen Techniken für seine zulässigen Einschränkungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentumsinstituts, Legalenteignungen oder gesetzliche Kriterien für Administrativenteignungen (BVerfGE 58, 300).

Staatsbürgerschaft

  • Das Transformationsgesetz zum EU-Haftbefehl wird 2005 für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung definiert den Schutzbereich des Art. 16 GG im Sinne eines umfassenden Heimatrechts, das eine dauerhafte Staatsbürgerschaft , politische Mitgestaltung und ein grundsätzliches Auslieferungsverbot garantiert (BVerfGE 2 BvR 2236/04). siehe zusammen fassenden Hauptartikel

Parlamentsrechte und Gesetzgebung

  • In der Entscheidung zur unechten Vertrauensfrage von Helmut Kohl 1983 betont das Gericht, dass eine Auflösung des Parlaments nicht der Gestaltung eines günstigen nächsten Wahltermins durch die Regierung dienen dürfe. Auch bedürfe eine durch konstruktives Misstrauensvotum installierte Regierung keiner neuen Legitimation durch den Wähler, sog. Äquivalenzformel (BVerfGE 62, 1).
  • Im Urteil zu Neuwahlen 2005 werden diese Grundsätze fortentwickelt. Unechte und echte Vertrauensfrage werden gleich gestellt und auf den Zweck des Art. 68 GG justiert. Dem Kanzler wird zugestanden auch auf verborgene Umstände seinen Auflösungsvorschlag zu stützen. Das Gericht übt erneut judicial self-restraint und reduziert seine Prüfungskompetenz in der Machtverteilung der Verfassungsorgane. (Gz: 2 BvE 4/05)
  • In der Entscheidung über Einsätze der Bundeswehr im Ausland konkretisierte 1994 das Gericht das Prinzip der Parlamentsarmee und stellte fest, dass die Regierung nur dann Militäreinsätze befehlen könne, wenn sie die konstitutive Zustimmung des Bundestages vorher einholt. Dies könne der Bundestag durch schlichten Parlamentsbeschluss in ausreichender Form tun (BVerfGE 90, 286).
  • Das Lebenspartnerschaftsgesetz wird 2002 mit dem Verweis auf die Gestaltungsfreiheit des Parlaments als verfassungskonform bestätigt. Gleichzeitig konkretisiert das Gericht Kriterien für die Freiheit der Regierung im Gesetzgebungsverfahren Teile eines Entwurfpakets zu entkoppeln und sie gegen den Willen des Bundesrates als Gesetz zustande kommen zu lassen (105, 313).
  • Zuwanderungsgesetz wird wegen Verfahrensmängel im Gesetzgebungsverfahren 2002 aufgehoben und einen Verfassungskonflikt im Bundesrat geklärt. (BVerfGE 106, 310)
→ zusammenfassenden Hauptartikel Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Zuwanderungsgesetz 2002

Parteiverbote

  • Am 23. Oktober 1952 wird die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten. (BVerfGE 2, 1)
  • Am 17. August 1956 wird die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. (BVerfGE 5, 85)
  • NPD-Verbotsverfahren wird 2003 eingestellt, weil das präsentierte Material nicht von der geheimdienstlichen Tätigkeit des Verfassungsschutzes trennbar war. Das Gericht verlangt, dass vor, spätestens aber im Verfahren staatliche Spitzel abzuschalten sind (BVerfGE 107, 339).

EU-Recht

  • Im „Solange-II-Beschluss“ suspendiert das Gericht seine eigene Gerichtsbarkeit hinsichtlich Grundrechtsbeeinträchtigungen aus oder aufgrund des sekundären EG-Rechts, solange auf Gemeinschaftsebene in im Wesentlichen gleichwertiger Grundrechtsschutz durch Gemeinschaftsorgane wie den EuGH gewährleistet ist. Dies ist im Wesentlichen durch zwei Komponenten gegeben: Das deutsche Zustimmungsgesetz zum EGV als Anwendungsbefehl für das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die strukturelle Prüfungsdichte durch den EuGH (BVerfGE 73, 339).
  • Im Maastricht-Urteil werden diese Grundsätze weiter präzisiert und das Kooperationsverhältnis in der Grundrechtsgerichtsbarkeit zwischen BVerfG und EuGH näher umrissen. Neuer Anknüpfungspunkt für die Prüfungsdichte und die Aufgaben des BVerfG sei nach dem EUV jeder Gemeinschaftsrechtsakt direkt und nicht seine Umsetzung durch die deutsche Exekutive. Damit sei das Grundgesetz auch für sie Prüfungsmaßstab. Hinsichtlich der Hoheits - und Kompetenzübertragung auf die Gemeinschaft gelte das Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung durch die Mitgliedstaaten, das die EUV-Interpretation zusammen mit der völkerrechtlichen Effet Utile Regel beeinflusse, im Ergebnis aber keine Kompetenzerweiterung oder –neubegründung gestatte (BVerfG NJW 1993, 3047).

Bibliothek

Das Bundesverfassungsgericht verfügt über eine interne, nur von Angehörigen des Gerichts zu benutzende Fachbibliothek mit den Schwerpunkten Staats- und Verfassungsrecht , Verwaltungsrecht , Staats- und Gesellschaftslehre , Politik und Zeitgeschichte . Der Bestand der Bibliothek umfasste im März 2005 etwa 345.300 Bände und wächst jedes Jahr um etwa 6.000 bis 7.000 Bände. Der Zeitschriftenbestand umfasst etwa 1.000 laufende Abonnements. Im angegliederten Pressearchiv werden zudem alle das Gericht berührenden Materialien gesammelt; es werden täglich zwischen 20 und 30 Tages- und Wochenzeitungen ausgewertet. Alle vorhandenen Werke sind im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) katalogisiert.

Siehe auch

  • Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts

Literatur

  • Jutta Limbach (Hrsg.): Das Bundesverfassungsgericht. Geschichte – Aufgabe – Rechtsprechung. C. F. Müller, Heidelberg 2000 (Motive, Texte, Materialien; 91), ISBN 3-8114-2143-3
  • Jutta Limbach: Das Bundesverfassungsgericht. Beck, München 2001 (Beck'sche Reihe, 2161: C.H.Beck Wissen ), ISBN 3-406-44761-9
  • Horst Säcker: Das Bundesverfassungsgericht. 6. Auflage. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, 405), ISBN 3-89331-493-8
  • Klaus Schlaich: Das Bundesverfassungsgericht. Stellung, Verfahren, Entscheidungen; ein Studienbuch. 6. neubearbeitete Auflage. Beck, München 2004 (Juristische Kurz-Lehrbücher), ISBN 3-406-51387-5
  • Uwe Wesel : Der Gang nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht in der Geschichte der Bundesrepublik. 1. Auflage. Blessing, München 2004, ISBN 3-89667-223-1

Weblinks

Wiktionary: Bundesverfassungsgericht – Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

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